Bestärkt durch Wilhelm Reichs Buch ,,Die sexuelle Revolution“ scheint mir eine Massenrevolution auf dem Gebiet der Psyche unabdingbar. Nur setzt diese Massenrevolution den eigenen Willen jedes Menschen voraus. Ich meine aber, daß nur ein geringer Teil der ,,Massen“ diesen Veränderungswillen hat. Deshalb bezweifle ich die Wirksamkeit unserer Thematik und befürchte, daß unsere Idee sozusagen ,,Schall und Rauch“ bleibt. Wenn die meisten Menschen selbst eine Vergangenheitsbewältigung unserer (DDR)-Geschichte verdrängen, sind sie – so glaube ich – wenig interessiert, sich unserer Problematik zu widmen.
Ein weiteres Problem, was mich beschäftigt, ist die Frage nach den Ursachen und Zusammenhängen der Entwicklung der Menschheit, speziell der Dominanz des Patriarchats. Rudolf Bahro sagte kürzlich auf einer Lesung in Chemnitz: „Der Mann genügt sich selbst nicht, er muß Türmchen bauen…“. In diesem Gedanken vermute ich den Schlüssel allen Übels.
Ich meine mit dem Übel den heutigen Zustand der Welt, den Fortschritts- und Leistungswahn der kapitalistischen Gesellschaft und alle daraus resultierenden (psychischen) Eigenschaften des gemeinen Mittel(europäers). Denn die Kreativität, die den Fortschritt gebar, wird ihm langsam selbst zum Verhängnis. Das anfängliche Probieren, die spielerischen Erfindungen haben uns dahin gebracht, alles zu machen, was nur irgendwie machbar ist. Dabei blieb aber die ethische Entwicklung des Menschen völlig auf der Strecke.
Warum ist das so? Hätte der Mensch seine Kreativität unterbinden müssen? Welchen Ausweg gibt es aus dieser Misere?
Frank Herzog, Chemnitz
aus ICH 1/ 91
Nach meinen Erfahrungen läßt sich fast jede bekannte Ursache für psychische Störungen letztlich auf Ursachen zurückverfolgen, die in der patriarchalen Struktur unserer Gesellschaft liegen.. Mich bewegen besonders folgende Fragen: Auf welche Weise und wieso entwickelte sich an so vielen Orten in der Welt voneinander unabhängig (z. B. Mesopotamien – Aztekenreich) eine ungeheure Unterdrückung der Frauen und alles Weiblichen?
– Gibt/ Gab es wirklich das Matriarchat, oder ist jeder menschlichen Gesellschaft eine gewisse patriarchale Struktur eigen? Letztere Behauptung habe ich ohne eine Begründung dazu gelesen und finde aus eigener Kraft weder Beweis noch Gegenbeweis. Simone de Beauvoir schreibt z. B., daß die Gesellschaft stets männlich gewesen sei, auch trotz gegenteiliger Anzeichen.
– Gibt es vielleicht eine ,,natürliche“ Feindschaft oder Fremdheit zwischen Mann und Frau? Nahegelegt hat mir das eine Beschreibung des Schöpfungsmythos der Ureinwohner Australiens. Dort gibt es eine Geschichte, die erzählt, wie die Männer den Frauen die magischen Gerätschaften stahlen und die Frauen viel zu sehr mit ihren Alltagssorgen beschäftigt waren, um sich darum zu kümmern.
Besonders eindrucksvoll empfand ich das Zitat eines solchen Eingeborenen zu diesen Geschichten: ,,Wir haben den Frauen alles gestohlen, was ihnen gehört hat … Wir Männer haben nichts wirklich Besonderes zu vollbringen, außer zu kopulieren … Alles gehört den Schwestern, das Baby, das Blut, die Schreie, ihre Tänze, dies alles betrifft die Frauen … Wir mußten sie überlisten … denn am Anfang hatten wir nichts … Wir haben den Frauen diese Dinge weggenommen.“
Angela S., Dresden
aus ICH 2/ 92