Ein Sumpf von falschen Vorstellungen. Warum alternative Geburtshilfe lebensgefährlich ist

von Walther Prinz

In der ICH haben sich mehrfach Mütter, Väter, Hebammen, Therapeutinnen und Therapeuten gegen eine schulmedizinisch-technisierte Entbindung ausgesprochen. Aber wir haben uns nicht nur an viele krankmachende Hilfsmittel gewöhnt – gestört, wie wir sind, brauchen wir sie oft wirklich. Und es wäre außerdem falsch, ein überaltertes Dogma durch eine neues, wenn auch „alternatives“, zu ersetzen.

Der Münchener Frauenarzt Dr. Prinz wirft im folgenden Beitrag Fragen auf, die dazu provozieren, den eigenen Standpunkt zur „Natürlichen Geburt“ noch einmal zu überprüfen.

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Eine normale Geburt scheint es nicht mehr zu geben. Diesen Eindruck hat man, wenn man die für Nichtmediziner gedachte Literatur anschaut. Propheten der Geburtshilfe, Gurus der Fortpflanzung tauchen auf und überschwemmen interessierte Frauen und Männer mit Informationen über die angeblich allein richtigen Wege zu glücklicher Elternschaft. Mit teilweise wunderschönen Bildern und mitreißenden, sehr logisch klingenden Argumenten wird für die neuen Ideen geworben, oft sogar mit renommiertem Namen und eindrucksvollem Titel. Der Tenor der Verkündigung lautet: Zurück zur Natur, schaut die Tiere, die Naturvölker an, widersprecht Ärzten mit ihren bevormundenden, die Frauen einschränkenden Vorstellungen. Gefordert wird, die gebärenden Frauen sollten entscheiden, wie sie ihr Kind zur Welt bringen wollen, sie sollten also die Gebärstellung selber wählen, ob hockend, stehend, lehnend, jedenfalls nicht liegend, die Schwerkraft solle genutzt werden, das Kind solle ,,sanft“ zur Welt kommen, es solle kein Licht die Augen reizen, kein Geräusch erschrecken, keine Temperaturschwankung schocken. Die Mutter solle auf Schmerzmittel verzichten, einen Dammschnitt ablehnen, wenn möglich überhaupt die Klinik meiden und zu Hause ihr Kind zur Welt bringen, in der vertrauten Umgebung ihrer Wohnung. Das allerbeste sei die Geburt unter Wasser: Das Kind solle sanft und still ins Wasser gleiten. Unabgenabelt solle es auf dem Bauch der Mutter liegen, um den Kontakt mit ihr nicht abrupt abzubrechen. Der Vater solle so intensiv wie möglich an den Geburtsereignissen teilnehmen, um so die Partnerschaft mit seiner Frau zu festigen und eine tiefe Beziehung zu seinem Kind zu gewinnen.

Was ist denn dran, an diesen so vernünftig klingenden Forderungen? Nichts ist dran! Sie sind allesamt mehr oder weniger falsch, beruhen auf Wunschdenken, Fehldeutungen, entspringen vermutlich zum Teil der Eitelkeit, eine neue Idee in die Welt gebracht zu haben, die möglichst mit dem eigenen Namen verbunden werden soll. Es ist auch finanziell einträglich, wenn man eine neue Idee hat! Man kann Geräte verkaufen (Gebärstühle!), Kurse abhalten, Bücher schreiben, und man hat in diesen Jahren ein zahlreiches Publikum und Beifall, wenn man Ärzte und Kliniken in Frage stellt.

An fünf markanten Forderungen und Begriffen der alternativen Geburtshilfe will ich meine provozierend klingende Behauptung, die alternativen Vorstellungen seien falsch, verdeutlichen:

1. ,,Schaut auf die Natur: Säugetiere und Naturvölker gebären im Stehen!“

Die so reden, können nicht sehen und nicht nachdenken! Kein Säugetier hat je sein Kind im Stehen bekommen. Es müßte sich, um im menschlichen Sinne zu stehen, auf die Hinterbeine stellen, also ,,Männchen machen“. Wenn zum Beispiel eine Stute ein Fohlen bekommt, ist ihr gebärender Körper waagerecht, horizontal, nicht aufrecht. Der Geburtsweg verläuft vom durchhängenden Bauch sogar aufwärts zum Becken! Kühe, Pferde und andere Herdentiere sind in der freien Natur von Raubtieren bedroht und müssen ständig fluchtbereit sein. Während des Geburtsvorganges sind sie besonders gefährdet, so bleiben sie auf den vier Beinen, aber nicht aufrecht auf den Hinterbeinen! Alle Tiere, die es sich leisten können, liegen am Boden, wenn sie ein Baby bekommen. So wie die Menschen, entspannen sich Tiere am besten liegend, und sie wissen instinktiv, daß Liegen die beste Position ist, um die Geburt am schonendsten für sich und das Kind zu gestalten. Wollen wir also die Natur zum Vorbild nehmen, müssen wir liegen, so wie vernünftige Hebammen und Ärzte es immer empfehlen.

Bei Naturvölkern …

Das Vorbild der ,,Naturvölker“, unserer Vorfahren? Schrecklich sind die Bilder, die uns die ,,sanften Geburtshelfer“ als Beispiel für aufrechte Geburtshaltung zeigen. Bilder von Geburtsszenen bei Indianern und Asiaten: Furchterregende Torturen werden gezeigt von Frauen, die an Pfählen oder Bäumen hochgezogen, mit Stricken am Bauch gezerrt werden, pressende und drückende ,,Helfer“ in Aktion. Das sind schreckliche Dokumente verzweifelter Menschen, die versuchen, wenigstens die Mutter bei schlimmer Geburtssituation zu retten. Wie hoch mag die Sterblichkeit bei dieser ,,Geburtshilfe“ gewesen sein? Wir Heutigen können Frauen und Kindern durch einen Kaiserschnitt helfen.

Viele ,,Naturvölker“ kannten kein Bett in unserem Sinn. Man ruhte auf Matten, Fellen oder einfach auf dem blanken Boden. Hühner, Hunde, Katzen, Schweine liefen überall umher. Ungeziefer, Pilze, Bakterien, Parasiten, Exkremente fanden sich auf demselben Boden. ,,Weg vom Boden“ war vermutlich der einzige Weg, Kindbettfieber, vereiterte Geburtswunden und Infekte bei Kindern und Müttern zu verhindern. Liegen am Boden war viel zu gefährlich. Hocken oder Stehen bei sogenannten Naturvölkern ist also reine Notlösung, das kleinere Übel. Wir haben heute mit unserer Geburtshilfe überlebende Kinder und Mütter, und zwar gesunde!

… herrschen barbarische Sitten.

Im übrigen hört die Begeisterung für das Vorbild der so nachahmenswerten Naturvölker in anderen Bereichen sehr schnell auf: Todesstrafe für Ehebruch hätte bei uns vermutlich entvölkernde Auswirkungen, das In-die-Länge-Wickeln kindlicher Köpfe, Verkrüppeln von Füßen, Abschneiden der Klitoris, Durchbohren von Penis und Unterlippen, das Mästen junger Frauen in Käfigen, damit sie dem Häuptling gefallen, das alles sind Vorbilder von ,,Naturvölkern“!

Das alles und viel mehr wird bei uns kaum Nachahmungsbegeisterung wecken. Wie weit ist es also her mit dem, was uns ,,Naturvölker“ an Vorbildern anbieten?

Was heißt denn auch Naturvölker? Das alles sind Völker mit einer oft Jahrtausende alten Kultur, vergangene Kulturvölker. Menschen entwickeln in Kulturen oft für andere nicht nachahmenswerte Verhaltensweisen. Es stellt sich also heraus, daß uns die ,,sanften“ alternativen Geburtspropheten mehr als unbrauchbare Vorbilder anbieten.

Zwischen Stehen und Liegen besteht ein großer Unterschied. Im Stehen ist eine Entspannung nicht möglich, da die aufrechte Körperhaltung nur durch Anspannung der Beinmuskulatur sowie der gesamten Rumpfmuskulatur möglich ist. Diese Muskulatur verbraucht Blut, das bedeutet, daß ein Teil der Zirkulation durch die beanspruchte Muskulatur fließt und dort, wo sie gebraucht wird, nicht zur Verfügung steht. Im Liegen ist die Durchblutung des kleinen Beckens bis zu 30 % besser. Wie schlecht Entspannung im Stehen möglich ist, zeigen Untersuchungen: In dieser Position können Frauen ihre Harnblase beim Wasserlassen nicht ganz entleeren. Der Urinfluß durch die Harnröhre verringert sich um 21 %, und der ,,Restharn“, das ist die Harnmenge, die unbeabsichtigt gegen den Willen der Frau in der Blase zurückbleibt, steigt gegenüber einer Entleerung in entspannter Haltung um 150 %.

Mehr Blutverlust im Sitzen

Selbst noch die Geburt im Sitzen hat dramatische Nachteile: Der Blutverlust war in einer Vergleichsstudie mit durchschnittlich 275 ml deutlich höher als bei liegend entbundenen Frauen mit 204 ml! Die nachgeburtlich auftretenden, als Komplikation zu wertenden Massenblutungen über 500 ml waren bei der sitzend entbundenen Frau vierfach erhöht. Keine Verbesserung brachte das Sitzen bei der Häufigkeit von Dammrissen, Dammschnitten, bei der Geburtsdauer, geburtsbegleitender kindlicher und mütterlicher Erkrankung, kindlicher Blutsäuerung und operativen Zusatzeingriffen. Es muß nicht lange darüber gegrübelt werden, welche Körperhaltung der wehenden Mutter für das Kind die bessere ist.

2. ,,Das Kind soll nach der Geburt unabgenabelt auf Bauch oder Brust der Mutter ruhen!“

Auch das ist Unsinn! Niemals kommt diese Situation in der Natur vor! Bei Tieren, die auf allen Vieren stehen, fällt das Junge auf den Boden, die Nabelschnur reißt durch. Liegende Tiere stehen sogar auf und reißen die Nabelschnur auf diese Weise ab. Oder sie drehen sich sofort nach der Austreibung um und durchbeißen die Nabelschnur. Niemals liegt das unabgenabelte Neugeborene in der Natur höher als seine Nachgeburt. Das einzige, was dadurch zustande kommen könnte, wäre ein Ablaufen von kindlichem Blut der Schwerkraft folgend in Richtung Nachgeburt: Kein Vorteil für das Kind. Spätestens mit dem ersten Schrei, also dem Ingangkommen der Atmung, schaltet der Kreislauf um auf Durchstrom durch die Lunge. Das ovale Loch im Herzen, das bisher den Blutstrom durch die Nachgeburt ermöglichte, an den nichtentfalteten Lungen vorbei, hat sich geschlossen. Ein weiteres Pulsieren der Nabelschnur bedeutet ja keineswegs ein Fließen zum Herzen des Kindes, sondern ein Pumpen vom Kind weg in Richtung Nachgeburt. Einen Nutzen hat das Kind jedenfalls nicht von der intakten Nabelschnur. Im selben Augenblick, in dem das Kind die Gebärmutterhöhle verläßt, zieht sich deren Muskulatur über dem freigewordenen Raum zusammen. Damit beginnt aber in diesem Augenblick die Ablösung der Nachgeburt von der Wand der Gebärmutter: Die Wand zieht sich verkleinernd zusammen, während die Nachgeburt ihre Größe behält. Ein Stoffaustausch über die Nabelschnur ist nach etwa einer Minute für das Kind nicht mehr möglich. Gesund überleben kann es nur, wenn sofort Atmung und neuer Kreislauf in Gang kommen! Die Frühabnabelung hilft dem Kind, das wissen instinktiv auch die Tiere und nabeln ihre Kinder sofort ab. Auch hier macht uns die Natur gerade das Gegenteil von dem vor, was uns die ,,Sanften“ als nachahmenswert aufdrängen wollen.

3. ,,Im Dämmerlicht sollte das Kind ruhig und entspannt mit geöffneten Augen daliegen. So zeigt sich der sanfte Übergang in diese Welt.“

Diese Vorstellung und Forderung geht so weit an Kenntnissen von und Vorstellungen über Geburtsabläufe vorbei, daß es lebensbedrohliche Ausmaße hat! Man stelle sich ein gesundes Baby vor, das satt und ruhig in seinem Bettchen schläft. Plötzlich wird es gepackt, gedrückt, man nimmt ihm schließlich jede Bewegungsmöglichkeit und preßt es viele Minuten lang durch ein äußerst enges Rohr Ein Kind, das danach nicht laut schreiend protestiert, sondern mit geöffneten Augen still daliegt, ist ein Kind in tiefem Schock, eventuell ein sterbendes Kind. Erfahrene Hebammen und Ärzte fürchten diesen Zustand. Alles muß getan werden, um ihn so schnell wie möglich zu überwinden. Nach der Austreibung des Kindes aus der Gebärmutter kommt alles darauf an, Atmung und Kreislauf des Neugeborenen anzuregen und zu stabilisieren, denn im selben Moment, in dem das Kind die schützende Höhle verläßt, beginnt seine Versorgung über die Nabelschnur zu versiegen. Die Natur tut alles, um die ehemals das Kind über die Nabelschnur versorgenden Gefäße der Mutter zu schließen, um Blutverlust für die Mutter zu verhindern. Das geschieht, ebenso wie die Nachgeburtsablösung, durch Zusammenziehen der Gebärmutter-Muskeln und damit durch Zudrücken der Gefäße. Nahezu schlagartig versiegt also die Versorgung für das Kind. So ist der erste, möglichst laute, kräftige Schrei des Neugeborenen, der nur möglich ist nach tiefem Einatmen, das sichere Zeichen dafür, daß es dem Kind gelungen ist, sich umzustellen. Dabei hilft dem Kind die natürliche Fähigkeit, über einen Hautreiz Atmung und Kreislauf anzuregen. Gerade die Naturheilkundigen rühmen immer wieder diese Möglichkeit, nämlich durch kalte Abgüsse, Wechselbäder, Massagen, Wassertreten usw. Jeder, der unter einen kalten Wasserstrahl tritt, erlebt, wie geradezu zwanghaft ein tiefer Atemzug folgt und das Herz klopft. Und gerade dieser absolut natureigene, hochwillkommene Mechanismus setzt rettend für das Kind ein, wenn es feucht aus der warmen Mutterhöhle in die kühlere Außenluft seiner neuen Welt rutscht: Ein tiefer Atemzug folgt diesem lebensfördernden Kältereiz. Die ,,Sanften“ aber haben das nicht begriffen, die das Kind in eine gleichwarme Umgebung gleiten lassen wollen!

Alles, was das zentrale Nervensystem anregt, hilft im Augenblick der Geburt dem Kind. Dazu gehören auch das Licht und Geräusche! Und nur dasjenige Kind, welches darauf reagiert, z.B. durch Blinzeln, zeigt, wie gut es ihm geht.

Und wieder macht uns die Natur gerade das Gegenteil von dem vor, was uns die ,,Alternativen, Sanften“ einreden. Alle höheren Tiere werden draußen geboren, bei jedem Wetter, in die Luft, die Sonne, den Regen, die kalte Nacht. Alles das sind über das Sinnesorgan Haut die Atmung und den Kreislauf anregende Reizsituationen. Der helfende Hautreiz wird von den Tiermüttern noch zusätzlich genutzt. Sie lecken ihre Babys kräftig ab, rollen und schieben sie hin und her, bis sie sich bewegen und atmen!

4. ,,Hausgeburt bewahrt die Frau vor bedrohlich ängstigender Geburtstechnik. Die gewohnte Umgebung macht sie ruhig und glücklich! Holland zeigt, wie gut Hausgeburtshilfe ist!“

Diese Aussage ist falsch und ungerecht! Das Beispiel Holland aber ist ein solches gegen Hausgeburt. Holland ist gerade wegen seiner noch verbreiteten Hausgeburtshilfe deutlich hinter unseren deutschen Erfolgen zurückgeblieben. Eben weil wir die Hausgeburtshilfe weitestgehend abgeschafft haben, sind wir viel besser geworden als die Holländer: Bei uns sterben und erkranken weniger Kinder und Mütter bei der Geburt! Die holländischen Ärzte sind nicht einverstanden, wenn ihr Land als gutes Beispiel für die Hausgeburtshilfe mißbraucht wird. Denn in denjenigen holländischen Bezirken, in denen die Hausgeburtshilfe ab- und die Klinikgeburtshilfe zunimmt, bessern sich die Verhältnisse. Deutschland hat die Holländer seit 1980 überholt! Es darf nicht übersehen werden, daß eine frei tätige Hebamme an der Hausgeburtshilfe verdient und durch sie Arbeit findet. Das erklärt viel!

Mindestens jede 9. Geburt mit problemlosem Schwangerschaftsverlauf endet in akuten Geburtsrisiken. Solche Risiken sind: starke Blutungen, Fiber unter der Geburt, krankhafte Wehen oder ,,schlechte“ kindliche Herztöne, überhöhte kindliche Blutsäuerung, Nabelschnurvorfall, drohender oder eingetretener Gebärmutterriß.

Eine Berliner Studie ergab, daß jede 5. Frau, für die eine Hausentbindung geplant war, als Notfall in eine Klinik gebracht werden mußte. Die schlechten geburtshilflichen Ergebnisse werden dann aber ungerechterweise der Klinikstatistik und nicht der Hausgeburtshilfe zugerechnet!

Eine Hebamme oder ein Arzt, der Hausgeburtshilfe propagiert, zeigt dadurch, daß er keine ausreichende geburtshilfliche Ausbildung besitzt, denn niemand, der solide Erfahrung hat, befürwortet ein freiwilliges, vermeidbares Risiko für Kind und Mutter. Wer das doch tut, ist verantwortungslos.

Was Arzt und Hebamme garantieren müssen

Sollte ein Arzt einer Schwangeren eine Hausentbindung anbieten, bitte ich die werdende Mutter dringend, sich eine etwa wie unten vorgestellte Bescheinigung unterschreiben zu lassen! Sie wird, wenn schon nicht an sich, so doch an ihr Kind denken. Bei Eintritt eines vermeidbaren Schadens sollte für das arme Kind finanziell gesorgt sein. Das muß durch den verschuldenden Arzt geschehen. Ein Richter kann leichter zugunsten des Kindes entscheiden, wenn die Mutter sich abgesichert hat. 

  1. Heute wird gefordert, daß jede Geburtshilfe ausübende Instanz mindestens 300, besser 1000 Geburten im Jahr als Erfahrungsnachweis erbringt. Fragen sollte die werdende Mutter also rechtzeitig, wie viele Hausgeburten der Arzt im Jahr durchführt!
  2. Heute wird kein Klinikbau mehr genehmigt, bei dem die Entbindungsstation über einen Fahrstuhl oder lange Gänge vom Operationsraum (Kaiserschnitt) getrennt ist, damit im Notfall in kürzester Zeit dem Kind und der Mutter geholfen werden kann. Der Hausgeburtsarzt sollte also Auskunft geben, in welcher Zeit er bei Notfall den Beginn des Kaiserschnittes garantiert und wo!
  3. Der Arzt muß sich schriftlich bestätigen lassen, daß er die Hausgebärende ausführlichst über die möglichen Risiken für Mutter und Kind aufgeklärt hat!
  4. Der Arzt muß schriftlich mitteilen, wo er die außergewöhnliche Ausbildung und Erfahrung, die für die Bewältigung der hochriskanten Hausgeburtsleitung von ihm zu fordern ist, erworben hat, denn auch eine Ausbildungsstätte haftet für ihre Qualität, besonders aber für die Einhaltung der Ausbildungsgenehmigungsbestimmungen.
  5. Der Arzt sollte sich schriftlich verpflichten, während der Gesamtdauer der Geburt (Eröffnung und Austreibung) bei der Gebärenden zu bleiben.
  6. Der Arzt sollte schriftlich bestätigen, daß er die Wohnung der betreuten Frau besichtigt und sich über die Durchführbarkeit einer Geburt informiert hat
  7. Der Arzt sollte schriftlich bestätigen, daß er die von der Patientin ausgewählte Hebamme persönlich und beruflich kennt und eine Zusammenarbeit mit ihr befürwortet.
  8. Der Arzt sollte schriftlich angeben, welche Alternative zu einer Hausgeburt in der Umgebung der Patientin besteht, er soll also die nächsterreichbaren Geburtskliniken mitteilen. Nur so hat eine Frau eine Auswahlchance und wird darauf aufmerksam gemacht, welchen Weg es für sie und ihr Kind sonst noch gibt
  9. Der Arzt soll schriftlich kurz begründen, warum er von den vorgenannten Klinikalternativen abrät und die Hausgeburt vorschlägt Die Durchführung einer solchen mit den Patienten geführten Diskussion über Alternativen und die Begründung der Auswahl ist heute eine übliche und begrüßenswerte Forderung der Rechtsprechung an uns Ärzte!

Selbstverständlich gelten alle diese Forderungen auch für die Hebamme. Nur so wird es bei einem eventuellen Schadenersatzanspruch für einen Richter möglich sein, eindeutig und schnell im Interesse für Mutter und Kind zu entscheiden.

5. Die ,,Unterwassergeburt“ schließlich ist der absolute Höhepunkt an Unvernunft und Rücksichtslosigkeit gegen das Kind.

Die Unterwassergeburt ist eine kriminelle Tat und bedeutet das Risiko einer Kindstötung – zumindest das Risiko einer Beschädigung des Kindes. Sie ist eine Perversion im Sinne des Wortes.

Kein luftatmendes Wesen in der Natur schneidet sein Neugeborenes von der Luftzufuhr ab und das ausgerechnet in dem Augenblick, in dem es dringend den ersten Atemzug braucht. Was man einem unter Wasser geborenen Kind antut, kann den Beteiligten nur dadurch klargemacht werden, daß man sie allesamt, Mutter, Hebamme, Arzt und werdenden Vater ebensolange unter Wasser taucht, wie man es dem Kind zumutet. Selbst Wale heben ihr Neugeborenes sofort nach der Geburt, die ganz nahe der Oberfläche stattfindet, mit dem Atemloch hoch an die Luft, damit es nicht ertrinkt.

Möglichkeiten, es besser zu machen

Versicherungen und Gutachter sollten in Zukunft überprüfen, ob eventuell bei kindlichen Schädigungen ,,alternative Geburtsmedizin“, also vermeidbares Risiko im Spiel war, um dann durch Übertragung von Zahlungsansprüchen auf die Verantwortlichen unzumutbare Belastungen von der Gemeinschaft der Versicherungsnehmer fernzuhalten, zu der sie, die Versicherungen, verpflichtet sind.

Häufig klagen Mütter und Väter, daß bei kindlichen Schäden, deren Ursache sie, die Eltern, in Fehlern bei der Geburtsleitung vermuten, keine Versicherungszahlungen für das geschädigte Kind erfolgen. Solche elterlichen Forderungen sind dann nicht berechtigt, wenn Hebammen und Ärzte alles getan haben, um nach heutigem Können und bestmöglichem Überwachungsstandard Sicherheit für Mutter und Kind zu gewährleisten. Niemals wird hundertprozentige Unversehrtheit zu erreichen und zu garantieren sein. Beginnendes menschliches Leben ist zerbrechlich und zart, und das Prinzip der Auslese, wie es in der Natur verankert ist, kann kein noch so tüchtiger Arzt vollkommen ausschalten. Ganz anders ist das zu beurteilen, wenn Eltern, Hebammen und Ärzte freiwillig und ohne Notwendigkeit mögliche sichere Wege verlassen und Risiken akzeptieren! Hier werden mit solchen Entscheidungen auch Verpflichtungen übernommen!

Einzelne Frauen empfinden eine Art Platzangst, wenn sie sich während der Wehen auf dem Kreißbett festgehalten fühlen. Man sollte sie möglichst nicht dazu zwingen. Eine aufmerksame Hebamme wird bald merken, ob es Angst und Unruhe ist, die die Frau umtreiben, oder ob sie sich wirklich umhergehend besser fühlt. Auf jeden Fall sollte man ihr erklären, warum es günstiger ist, sich im Liegen zu entspannen. In einigen Kliniken ist es möglich, Telemetriergeräte zu benutzen, das sind Geräte, mit denen auch im Umhergehen auf dem Funkweg ohne Kabel die Meßdaten der kindlichen Herztätigkeit und der Wehen aufgezeichnet werden können.

Den Frauen die Angst nehmen

Nein, was wir ganz sicher nicht brauchen, damit es der werdenden Mutter und dem Kind gutgeht, ist ,,alternative Geburtshilfe“ in irgendeiner Form. Wir brauchen überhaupt keine neue Geburtshilfe, denn die existierende ist von höchster Qualität. Was wir brauchen und was sich auch längst vollzogen hat, ist die alte Geburtshilfe in erneut wieder den Frauen zugewendeter Form. Und das meine ich genauso, wie es die deutsche Sprache ausdrückt: ein den gebärenden Frauen zugewendeter Blick und nicht gebannt auf die Apparate. Unkenntnis und Ängste der Frauen müssen verringert werden. Das geht nur mit starker Zuwendung. Vertrauen kann man schon dadurch erreichen, daß man der werdenden Mutter das ärztliche Tun erklärt und begründet. Man muß sich mehr Zeit nehmen, hinschauen und zuhören, und das alles muß gestützt sein auf eine immer weiter verbesserte Geburtstechnik, und ich meine gestützt auf sie und nicht dominiert von ihr.

 

Wir entnahmen diesen Beitrag mit freundlicher Genehmigung des Autors der Zeitschrift Medical Tribune 23/ 92.

 

 

aus ICH 3/ 93